Rezension "Normale Menschen" von Sally Rooney
Luchterhand; ISBN: 978-3630875422; 320 Seiten; 17.08.2020 erschienen |
"Er macht ihr das Geschenk, ein guter Mensch zu sein, und das gehört jetzt ihr. Mittlerweile breitet sich vor ihm sein Leben in alle Richtungen gleichzeitig aus. Sie haben sich gegenseitig viel Gutes getan. Wirklich, denkt sie, wirklich. Menschen können sich wirklich gegenseitig ändern."
"Normale Menschen" von Sally Rooney ist ein Roman, der sich mit keinem vergleichen lässt. Es handelt sich dabei um eine intensive On-/Off-Liebesgeschichte, die insbesondere durch die einzigartigen Dialoge überzeugt. Sally Rooney und auch die Übersetzerin Zoe Beck schreiben durchaus andersartig, nicht auf herkömmliche Weise, aber sehr eindrucksvoll und nachhallend. Beim Lese hatte ich oftmals das Gefühl, die Stimmen von Connell und Marianne in meinem Kopf zu hören. Ich habe mich ihnen verbunden gefühlt. Die Übersetzerin sagt selbst über den Roman und die Autorin:
"Niemand schreibt so über die Unbeholfenheit der Liebe, ohne dabei die Figuren zu beschädigen. Rooney führt uns so nah, so eng in die Situationen, die Gefühle, wir beobachten und sing zugleich selbst betroffen, analysieren und empfinden zugleich mit. Die vermeintliche Leichtigkeit der Sprache macht es beim Übersetzen oft alles andere als leicht, weil es dadurch noch wichtiger ist, präzise zu sein und die richtigen Wendungen, die passenden Ausdrücke zu finden, um diesen Ton zu transportieren."
Wenn ich den Roman mit einem Wort beschreiben müsste, dass wäre es "real", denn genau das war er für mich. Wie Zoe Beck bereits angedeutet hat, ist die Liebesgeschichte zwischen Connell und Marianne alles andere als perfekt. Sie ist chaotisch, tiefgründig, schwermütig, melancholisch und hat seinen ganz eigenen Touch. Der Schreibstil wirkt leicht und einfach, die Handlung und die Dialoge hingegen waren so voll von Emotionen und Gefühlen, dass es wiederum nicht immer eine "einfache" Lektüre war. Nach jedem Leseabschnitt habe ich das Buch mit einem verwirrten und doch verstandenen Gefühl zugeklappt. Ja, ich habe mich sehr oft in die Empfindungen der Protagonisten hineinfühlen können. Sind sie normale Menschen? Die Frage bleibt bis zuletzt offen und lässt den Leser/ die Leserinnen selbst weiterdenken. Noch heute denke ich an diese beiden vermeintlich normalen Protagonisten. Einerseits scheinen sie sich komplett von der "normalen" Gesellschaft abzukoppeln, möchten normal sein, fühlen sich auf der Welt aber nicht zugehörig, denken und empfinden anders, wissen nicht, wohin sie gehören. Auf der anderen Seite frage ich mich, ob nicht jeder so empfindet. Ist nicht jeder irgendwie, irgendwo auf der Welt fehl am Platz? Ist nicht jeder von uns alles andere als normal? Was bedeutet es denn überhaupt "normal" zu sein? Diese Fragen sin komplex und gleichzeitig so einfach. Der Roman gibt Anhaltspunkte zum Nachdenken über sein eigenes Leben, zeigt, dass es jedem jungen Erwachsenen so gehen kann: chaotisch. Genau deswegen würde ich den Roman als "real" oder realitätsnah beschreiben. Die Liebe zwischen den beiden Protagonisten ist intensiv, komplex und durchaus chaotisch, aber sie ist real/ realistisch, magisch, besonders und gleichzeitig völlig normal. Dieses Buch hat mich teilweise fertig gemacht, nachts mit offenen Augen daliegen lassen und gleichzeitig so viel Freude bereitet, weil es so locker und leicht zu lesen war. Solch ein Leseerlebnis habe ich selten.
Ich kann euch diesen zeitgenössischen Roman nur empfehlen. Er ist erschreckend ehrlich, auf seine eigene Art und Weise besonders und intensiv, beschreibt eine chaotische aber magische Liebesgeschichte, die zwar normal ist, aber irgendwie auch nicht. Ich kann mir vorstellen, dass es definitiv nicht für jeden etwas wäre, da ich schon sagen würde, dass die Geschichte und auch der Schreibstil relativ speziell ist, aber ich kann jedem nur empfehlen, es einmal auszuprobieren. Meiner Meinung nach lohnt es sich auf jeden Fall. Ihr werdet euch mindestens in einem Punkt wiederfinden, das kann ich versprechen!
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