Rezension "Als die Welt stehen blieb" von Maja Lunde

 btb; ISBN: 978-3442770977; 224 Seiten; 28.09.2020 erschienen

"Wie können wir als soziale Tiere, die abhängig sind vom Körperkontakt, von den Körpern der anderen, damit leben, dass die Berührung eines Menschen gleichbedeutend damit geworden ist, ihn zu kontaminieren? Wie können wir damit leben, morgen, nächste Woche, in einem Jahr?"

Das Jahr 2020 ist bisher wahrscheinlich für jeden von uns ein herausforderndes und erschreckendes Jahr. Erschreckend deswegen, weil es die ganze Welt betrifft. Die Corona-Pandemie und der daraus folgende Lockdown hat uns alle betroffen, hat uns gezeigt, wie verwundbar wir sind, wie sehr wir voneinander abhängig sind und wie sehr wir uns Menschen eigentlich brauchen. Genau das beschreibt Maja Lunde in ihrem bisher persönlichsten Roman. In wenigen Seiten schreibt Lunde, wie eine Art Tagebuch, was die Pandemie uns im besten Fall gelehrt hat, nämlich, was im Leben wirklich zählt: Der Zusammenhalt untereinander und in der Familie sowie das menschliche Miteinander. 

Maja Lunde hat mich bereits mit ihrer literarischen Klimaquartett-Reihe zum Nachdenken über uns Menschen, unsere Erde und unser Umgang miteinander und unserem Lebensraum gebracht. Die Corona-Pandemie hat diese Gefühle und Gedanken, die Sorgen, um unsere Spezies und unseren Heimatplaneten nur noch verstärkt. Dieses Buch hat mir aber das Gefühl gegeben, nicht alleine zu sein, verstanden zu werden und die Erkenntnis gegeben, dass diese Sorge, sogar in einem fortgeschrittenen Land wie Norwegen ebenfalls ein Thema bei vielen Menschen zu sein scheint. Den Schreibstil von Maja Lunde fand ich bereits bei ihren anderen Büchern einfach nur grandios, denn sie schreibt wirklich leicht und flüssig, schafft es aber gleichzeitig einen Eindruck bei den Leser*innen zu machen. Mich jedenfalls berührt sie mit ihren Worten jedes Mal. Bei diesem Buch sogar mehr, denn je. Wie schon erwähnt ähnelt dieser Roman eher Tagebucheinträgen, bei dem auch immer am Kapitelanfang das Datum kenntlich gemacht wird. Die Zeitspanne, in dem Maja Lunde von ihren persönlichen Erfahrungen während des Lockdowns schreibt, liegt ungefähr bei einem Monat. Das empfand ich leider etwas zu wenig, da ich gerne noch viel mehr darüber gelesen habe. Ich bin wahrscheinlich nicht die einzige, bei der die Corona-Pandemie immer noch mehr als präsent ist. Nichtsdestotrotz bekommt man trotz der kurzen Zeitspanne einen wirklich privaten Einblick in Lundes Familie und Privatleben, ihren Ängsten und Gefühlen, aber auch Stärken und Hobbys. Das bringt mir die Autorin noch ein Stück weit näher, was ich wirklich toll finde. In den wenigen knapp 220 Seiten konnte ich fast auf jeder Seite etwas markieren, weil ich ihre Worte so eindrucksvoll, wahr und als meinen eigenen ähnlich empfand. 

"Furcht und Dankbarkeit. Das sind zwei parallele Flüsse, die in mir fließen, der eine reißend, der andere sanft. Manchmal treffen sie aufeinander, und dann droht der eine den anderen zu verschlingen."

Genau das sind auch meine Empfindungen, wenn ich an die Pandemie denke. Metaphorisch, bildlich und gefühlvoll beschreibt Maja Lunde genau meine eigenen Gefühle und bringt sie auf Papier. Einerseits ist man dankbar, dass man in der Zeit des Lockdowns seine Familie um sich herum hat, man merkt, wie lieb man sich gegenseitig hat. Andererseits macht es einem Angst, da man so verletzlich ist, dass man sich so fern von seinen Mitmenschen fühlt und man erkennt, wie wichtig das Miteinander doch ist. 

"Wäre der Klimawandel ein Meteorit, würden wir handeln (...). Wenn der Klimawandel ein Virus wäre, würden wir handeln, würden all die kleinen Details vergessen, die wir sonst immer als Vorwand dagegen vorgebracht haben, endlich etwas zu unternehmen, Das hier muss alles verändern, denke ich. Anschließend, wenn alles vorbei ist, können wir nicht so weitermachen wie vorher."

Nicht umsonst gehört "Die Geschichte der Bienen" zu meinen absoluten Lieblingsbüchern, denn es hat mich so zum Nachdenken über mich und meinem Umgang mit und in der Welt gebracht, dass ich erst nach diesem Roman so richtig angefangen habe, mich mit dem Klima und Evolution zu beschäftigen. Auch "Als die Welt stehen blieb" ist ein Buch, das nachhallt. Es wird mich immer an die aktuelle Zeit erinnern, wird hoffentlich auch die künftigen Generation, die Angst und Verletzlichkeit der Menschen näher bringen und ihnen hoffentlich zeigen, wie wichtig der menschliche Umgang miteinander ist. Dieses ist eine absolute Empfehlung von mir!



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